Kaffee/Kippen

Ungelenk ausgedrückte Zigaretten im Satz viel zu starken Kaffees… gibt es ein erbärmlicheres Bild? Nicht etwa um der Lungen oder Lebern Willen, nein. Weil sie daran erinnerten, was gewesen war.

Am Rand der Tasse vermischte sich das Rot sorgsam aufgetragenen Lippenstifts mit dem warmen Braun von Kaffe. Gemeinsam erzählten sie von Schein und Sein.

Träume zerbrochen, Kaffee erkaltet. Schmeckte er nun bitter von Realität. Einst hatte sie dieser Duft an Herbstnachmittage erinnert, an Zeiten, als er noch für Wärme und Geborgenheit gestanden hatte.
Eine Erinnerung bahnte sich ihren Weg an die Oberfläche und erzählte von Sonnenstrahlen, die durch das Astwerk des knorrigen Baums funkelten, als wollten sie sie am Kinn kitzeln. Sie kletterte, so hoch sie klettern konnte, weil sie wusste, sie vertraute, das Geäst würde sie tragen.

Nun hing kalter Rauch wie Nebel über ihr und erstickte jede einzelne Zelle ihres Seins. Es sollte genügen, zitternde Hände mit Nikotin zur Ruhe zu bringen und auch wenn sich die Ringe mit jeder Tasse tiefer unter die Augen zu graben schienen, waren sie es doch Wert, um eine Stunde oder zwei damit zu erkaufen.

Nicht einmal ihr Äusseres wirkte mehr makellos, ein müdes Herz und eine verblasste Seele teilten sich die klägliche Hülle. Als wollten ihre Rippen sich einen Weg nach aussen graben, bohrten sie unentwegt gegen die Haut, die sie umspannte, gleich einem lebendigen Käfig.
Sie mochte sich nicht erinnern, wann das Leuchten ihrer Augen milchigem Glanz gewichen war. Sie konnte ihr eigenes Lachen nicht mehr hören, war es hohl und freudlos geworden. Es genügte vollkommen, um Fremde zu Täuschen, Eis zu brechen, ein Gefühl von Vertrauen zu geben.

Doch sie erinnerte sich. Als wäre langsam Schicht für Schicht ihrer Persönlichkeit abgetragen worden, stiess sie nun auf ihr Innerstes. Das letzte Bisschen von ihr, das sich weigerte, ebenfalls abzusterben.

Aprupt sprang sie auf und für einen kurzen Moment durchströmte eine Energie ihren Körper, die sie nur von früher kannte, die nicht von der dunklen Brühe herrührte. Doch das genügte, um den Damm zu brechen. Sie tat ein, zwei Schritte, die aus den Augen Dritter bedeutungslos scheinen mochten, sie aber gleich Sieben-Meilen-Stiefel fort von Apathie und innerem Tod trugen.

Als sie sich in der Tür nochmal umwandte, um auf das zu blicken, was noch war, fasste sie erstmals den Mut, einen Atemzug lange innezuhalten. Sollte die Asche, jene ihrer Vergangenheit sein. Mochte die Tasse auch einen Abdruck im Holz zurücklassen, alles was von ihr an diesem trostlosen Ort bleiben sollte, war das Geräusch ihrer Schritte, wie sie hinaus ins Licht der Sonne trat und sich traute zu leben.

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